Global denken…… lokal betonieren? Freiburgs Linke und Grüne verabschieden sich vom Landschaftsschutz Natürlich ist auch Freiburgs Linke für Maßnahmen gegen die Erhitzung der Erdatmosphäre. Sie ist für Klimagerechtigkeit und gegen die zunehmende Versiegelung und Betonierung der Landschaft. Die Südwest-Grünen fordern die wohnortnahe Versorgung mit landwirtschaftlichen Gütern. Theoretisch. Ganz praktisch werden beide Parteien in den nächsten Wochen gemeinsam mit einer Fast-Allparteienkoalition inklusive CDU, SPD, FDP und den Freien Wählern für das Gegenteil trommeln. Schuld daran ist auch in Südbaden der Sachzwang. Und der heißt in diesem Falle: Wohnungsnot. Die Mieten in der selbsternannten „Green City“ befinden sich in der gleichen Liga, wie in den Hochpreisregionen München oder Hamburg; die Warteliste für öffentlichen, bezahlbaren Wohnraum ist lang. Auch hier beackern Wohnkonzerne das Feld, werden reiche „Häuslebauer“ in die Südwestecke gelockt, bezahlbare Häuser zu Teuer-Apartments umgebaut und jede Menge Leerstand verwaltet. Gegen die großflächige Errichtung von Luxus-Wohnungen für Studierende aus betuchten Elternhäusern regte sich kaum Widerstand. In einigen Gegenden wurden riesige Bürotürme errichtet, deren Fenster auch in den Wintermonaten nie erleuchtet sind. Die Notallkartei für Wohnungssuchen hingegen ist umfangreich. Die Lösung des Wohnungsproblems liegt nun nach Auffassung einer erdrückenden Gemeinderatsmehrheit im Freiburger Westen. Das Gewann Dietenbach besteht aus 169 Hektar Wald, Wiesen und Ackerland. Für die Stadtplaner bedeutet dies eine Fläche von rund 190-200 Fußballfeldern, die bebaut werden können. 15.000 Menschen sollen nach Abschluss der größten Baustelle in der Region, einmal im neuen Stadtteil leben. Als ökologisches und klimaneutrales Großprojekt werden die Bau-Ambitionen bereits jetzt beworben. Für viele Landwirte bedeutet der neue Stadtteil jedoch den Entzug von wertvollen Anbauflächen. Ein schlüssiges Konzept für Ersatzflächen gibt es nicht. Auch keine Antwort auf die Frage, wie hier noch die Versorgung der kurzen Wege stattfinden soll. Auf bunten Plakaten mit dem grammatikalisch fragwürdigen Slogan: Nie war ein Nein so Zukunft, wird das Neubaugebiet unter anderem euphorisch als "klimaneutral" beworben. Das Dietenbach-Gebiet, eigentlich ein Überschwemmungsgebiet, muss dann schätzungsweise 3 Meter komplett aufgeschüttet werden, um überhaupt baureif zu werden. Die örtliche Bürgerinitiative Pro Landwirtschaft und Wald hat vorgerechnet, dass die notwendige Aufschüttung des Baulandes 416.000 LKW-Fahrten nötig macht, bevor betoniert und asphaltiert werden kann. Was an dieser immensen CO 2-Belastung klimaneutral sein soll, haben Freiburgs Linke und Grüne noch nicht erläutert. Würde so etwas auf einer Tiefkühlpackung stehen, müsste der Verbraucherschutz einschreiten. Zudem wird nach Einschätzung der Naturschutzverbände ein wichtiges Nahrungshabitat für mehrere Vogelarten und Kleintiere zerstört. Verschiedene Alternativen zum Bauen auf der grünen Wiese, wie Aufstockungen und das Verbot von Luxus-Sanierungen seien gar nicht ausgeschöpft worden. Während sich selbst Linke bei der Enteignungsforderung im Falle von Wohnungsleerstand und –spekulation schwer tun, hat die Fast-Allparteienkoalition mit der Enteignung von Landwirten keine Probleme. Die örtlichen Grünen wollten sogar vor einigen Jahren noch öffentlichen Wohnraum veräußern, was nur durch ein Referendum gestoppt werden konnte. Die Linke Liste im Freiburger Stadtrat, personell und organisatorisch eng mit der Partei die Linke verbunden, hat sich besonders für einen 50% Anteil an Sozialwohnungen im neuen Quartier stark gemacht. Dass eine Gemeinderatsmehrheit, kurz vor den Kommunalwahlen, diesen Beschluss durchgewunken hat, sieht man als wichtiges Argument für das Bauvorhaben. Die Grünen hatten lange diese Sozialbindung abgelehnt, der CDU-Finanz-Bürgermeister wettert immer noch gegen den Beschluss. Sozial und ökologisch sollten auch frühere Neu-Stadtteile in der stark wachsenden Breisgaumetropole werden. Die einstigen Vorzeige-Quartiere Vauban und Rieselfeld gehören heute jedoch zum teuersten Pflaster in der Stadt. Die Quadratmeterpreise in den genannten Mittelschichtsbezirken haben sich teilweise verdoppelt; Eigenbedarfskündigungen haben Mieterinnen und Mieter aus den „Modellstadtteilen“ vertrieben. Die Kritikerinnen und Kritiker der Dietenbach-Pläne fürchten da einen Domino-Effekt. Wenn im Neu-Stadtteil, der etwa 2025 bezugsfertig sein soll, nach Auslaufen der Sozialbindungen wieder die Mieten steigen, könnte die nächste Wald- und Wiesenfläche unwiederbringlich geopfert werden. Das Bündnis „Wem gehört die Stadt“, welches sich für genossenschaftlichen Wohnbau engagiert, erklärte hierzu: „Baugebiete sind keine nachwachsenden Rohstoffe.“ Doch die örtlichen Liberalen träumen bereits vom übernächsten Großprojekt und ehemalige Stadtplaner haben vor einiger Zeit öffentlichkeitswirksam die Bebauung eines Naturschutzgebietes ins Gespräch gebracht. Gegen die Pläne der Freiburger Bau-Koalition von CDU bis Linke Liste, hat ein Zusammenschluss verschiedener Umweltverbände, dem auch der örtliche BUND und der Nabu angehören, einen Bürgerentscheid erstritten. Ob die Abstimmung Ende Februar allerdings zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes verläuft, ist angesichts der finanz- und kampagnenkräftigen Baubefürworter mehr als fraglich. Welche Folgen ein Bauverbot im Dietenbach-Areal hätte, lässt sich schwer abschätzen. Im günstigsten Falle entstünde eine öffentliche Debatte über die Fragen, wie weit sich eine Stadtgesellschaft den Bauboom im Luxussegment leisten kann und wie weit unsere Städte noch zu Lasten der Natur wachsen sollen.
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