Corona-Krise führt zu Haushalts-Krise – droht der Stadt eine Haushaltssperre?
Anfang April hatte Finanzbürgermeister Breiter bereits diese Maßnahme in Erwägung gezogen, denn alleine bei der Gewerbesteuer rechnet er mit Einnahmeausfällen von ca. 20 Mio. €. Dabei wird es aber nicht bleiben, denn zum einen gibt es auch Mehrausgaben für z.B. Schutzausrüstung von bis zu 5 Mio. € und zum anderen fallen Einnahmen weg in Kitas, bei der VAG, den Bädern, Museen, dem Theater, Parkhäusern und Parken, Veranstaltungsräumen u.v.m.
Der Gemeindeanteil an Einkommens- und Umsatzsteuer wird zudem empfindlich schrumpfen und wie sich die Krise auf die Schlüsselzuweisungen vom Land auswirken, ist nicht absehbar, mutmaßlich aber negativ.
Die FWTM wird viele Millionen Verlust machen, da das Messegeschäft dieses Jahr nur zu einem geringen Teil zu Erlösen führen wird.
Zusammen mit der geplanten Neuverschuldung könnte sich das neue Gesamtdefizit im laufenden Haushaltsjahr trotz der kommunalen Hilfsprogramme 2020 auf 100 Mio. € belaufen. Natürlich wird dies auch maßgeblich davon abhängen, wie ausgeprägt der Sparwille im Gemeinderat ist.
Auch 2021 muss aufgrund des drastischen Konjunktureinbruchs mit empfindlichen Einnahmeausfällen gerechnet werden.
Obgleich Städte wie Ettlingen, Emmendingen und z.B. Rheinfelden schon Haushaltssperren verhängt haben, hält man davon in Freiburg bisher nichts, auch der Städtetag rät davon aktuell noch ab und der Finanzbürgermeister alleine, kann darüber nicht befinden. Zuletzt ruderte er diesbezüglich auch wieder zurück. OB Horn bezeichnet die Diskussion um eine Haushaltssperre als verfrüht. Die große Mehrheit im Gemeinderat plädiert momentan auch dafür, die im Haushalt festgeschriebenen Investitionen und Ausgaben zu tätigen. Wie das aber finanziert werden soll, hat bisher niemand gesagt und die geplante Neuverschuldung im aktuellen Haushalt beläuft sich schon auf 35 Mio. € und die hat das Regierungspräsidium nur gerade so noch genehmigt. Eine noch höhere Neuverschuldung würde also u.a. der Sondergenehmigung des Regierungspräsidiums bedürfen und würde die Gesamtschulden der Stadt auf deutlich über 1 Mrd. erhöhen.
Aufgrund dieser dramatischen Finanzlage, die mutmaßlich bis mindestens einschließlich 2021 anhält, müsste eigentlich alles auf den Prüfstein.
Allem voran, muss man natürlich einen Blick auf die Großprojekte werfen. Von den 130 Mio. € für das neue Stadion gibt es zwar einen Zuschuss vom Land und der Verein übernimmt auch einen ordentlichen Betrag, sollte dieser aber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können, wäre die Stadt in der Haftung.
Obwohl der Generalunternehmer und die anderen Beteiligten alles darangesetzt haben das Stadion rechtzeitig zum Bundesligastart im Sommer fertigzustellen, wird das u.a. wegen Corona nichts.
Wie es mit der Bundesliga weitergeht, steht ohnehin in den Sternen. Das Stadion mit einem Geisterspiel zu eröffnen, ist keine Option und auch wegen der anhängigen Verwaltungsgerichtsentscheidung, wegen der zulässigen Spielzeiten, gibt es noch Ungewissheiten. Corona hat auch die Vereinsfinanzen durcheinandergewirbelt und erheblich belastet. Wie lange der SC die Corona-Durstrecke bei gleichzeitiger finanzieller Belastung durch das neue Stadion übersteht, ist offen.
Um den Haushalt 2020 zu entlasten, sollte man daher ein Strecken der Stadion-Baumaßnahmen in Erwägung ziehen, ohne dass enorme Härten für die Beteiligten entstehen.
Denkbar ist auch, dass noch diverse Hygiene und Abstandsfeatures beim Bau Berücksichtigung finden.
Je nachdem wann es eine Rückkehr zu normalen Spielen gibt, kann es auch durchaus im Interesse des Vereins sein, wenn er in 2020 noch nicht alles bezahlen muss und auch noch nicht für zwei Stadien die Miete bezahlen muss.
Das insgesamt teuerste Projekt ist aber zweifelsohne Dietenbach. Seit 2012 investiert die Stadt dort Millionen und nach 8 Jahren ist dort noch nicht mal 1 qm Wohnfläche entstanden. Damit wäre frühestens 2026 zu rechnen. Bei der dortigen Auenlandschaft handelt es sich noch nicht mal um zulässiges Baugebiet. Seit 2018 ist das Bevölkerungswachstum trotz starker Bautätigkeit nur noch gering und das Statistische Landesamt rechnet mit einem weiteren Nachlassen. Durch Corona könnte sich das noch verstärken, auch die Nachfrage nach Wohnraum seitens der Investoren, könnte stark nachlassen.
Dietenbach wäre eines der größten Neubaugebiete Deutschlands und ist seit jeher sehr umstritten. Schon vor Corona war die Finanzierung nicht gewährleistet, heute ist sie noch wackliger. Hinzu kommt eine Reihe an Nachteilen und Unwägbarkeiten. Auch Klagen wurden gegen das Projekt angekündigt.
Eine Projektpause würde der Stadt etwas mehr finanziellen Spielraum verschaffen und man könnte das Projekt aufgrund der neuen Gesamtsituation nochmals kritisch hinterfragen.
Das Hochwasserschutzbecken bei Günterstal wird ca. 20 Mio. € kosten und ist u.a. erforderlich, um Dietenbach rechtlich zu ermöglichen. Wird Dietenbach auf Eis gelegt, könnte man auch den landschaftszerstörerischen Riesendamm und den Ausbau der Breitmatte an der Wonnhalde auf Eis legen.
Die Sanierung des Augustinermuseums verschlingt ebenfalls seit Jahren Millionen. Auch hier muss geschaut werden, ob man den Rotstift ansetzen kann.
Ein weiteres Millionenprojekt ist der Neubau und die Sanierung der Staudingerschule. Hier dürfte allerdings Konsens herrschen, dass man hier aufgrund der Relevanz als letztes bremst.
Auch die VAG plant weitere kostspielige Baumaßnahmen.
Die Stadt will 135 Stellen neu besetzen und somit umfangreich Personal einstellen. Auch hierbei handelt es sich um Kosten in Millionenhöhe, die vor allem langfristiger Natur sind.
Trotz dieser gewaltigen Herausforderungen soll es erst Ende Mai eine Gemeinderatssitzung geben, die erste nach der Corona-Pause. Bisher gibt es noch keine offizielle Agenda und ob bereits über Einsparungen diskutiert wird, ist nicht bekannt. Je früher jedoch über Einsparungen und etwaige Projektpausen und Verschiebungen debattiert wird, desto eher lassen sich schmerzhaftere Einsparungen in der 2. Jahreshälfte vermeiden und eventuell auch die im Raum stehende Haushaltssperre. Um einen Nachtragshaushalt wird die Stadt aber wohl nicht herumkommen.
Es ist keine 15 Jahre her, dass die Stadt zuletzt in großer finanzieller Not war. 2006 wollte man deshalb sogar die Stadtbau-Wohnungen verkaufen, was durch einen Bürgerentscheid verhindert wurde.
Hält man an Dietenbach fest, könnte die Stadt in noch viel größere Finanzprobleme geraten als damals, denn bei Dietenbach handelt es sich um ein Milliardenprojekt.
Die kommunalpolitisch Verantwortlichen sollten nicht warten, bis genauere Schätzungen zu den Einnahmeausfällen vorliegen, denn es ist klar, dass viel Geld fehlt und die vorgenannten Höhen eventuell sogar übertroffen werden. Es wäre naiv auf allzuviel finanzielle Unterstützung aus Berlin und Stuttgart zu setzen, denn in Berlin türmen sich Anfragen aus dem In- und Ausland, Brüssel braucht nicht zuletzt wegen des Brexits und Corona mehr Geld und gleichzeitig fehlen im Bundehaushalt ja auch viele Milliarden, wegen geringerer Steuereinnahmen. In Stuttgart verhält es sich tendenziell nicht anders. Nicht nur Freiburg braucht Geld, sondern die Krise umspannt den ganzen Erdball, in einer nie da gewesenen Art und Weise.
Die Stadt Freiburg steht vor sehr großen Herausforderungen und es bedarf daher mutiger und zügiger Entscheidungen.
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