Kürzlich fand eine große Veranstaltung für Immobilienexperten im Restaurant Dattler mit dem passenden Namen „hoch hinaus“ statt. Gastredner war u.a. Prof. Rüdiger Engel (Leiter der Projektgruppe Dietenbach). Laut Wochenbericht gab Herr Engel die städtischen Kosten von Dietenbach dort mit 850 Mio. € an. Zählt man die Aufwendungen der Tochterunternehmen und Beteiligungen (Stadtbau, VAG, Badenova etc.) und z.B. für den externen Hochwasserschutz hinzu, könnten es an die 2 Mrd. sein. Anstatt 10 Mio. € muss die Stadt nach gegenwärtigem Stand wohl 500 Mio. € für Dietenbach zuzahlen. Dietenbach weckt daher Assoziationen mit dem BER, der Elbphilharmonie oder Stuttgart 21. Allerdings sind Berlin, Hamburg und die Bahn finanziell und personell ganz anders ausgestattet. Das vergleichsweise kleine Freiburg könnte diese Finanzierungslast nicht schultern, denn die Schuldenlast ist heute schon beträchtlich. Ohne Dietenbach könnte die Gesamtverschuldung der Stadt bald 1 Mrd. übertreffen. Der aktuelle Haushalt wurde vom Regierungspräsidium nur gerade so noch genehmigt und die Konjunktur kühlt sich ab.
Im Februar wurden den Wähler*innen im Zusammenhang mit dem Bürgerentscheid noch Projektkosten in Höhe von 600 Mio. € kommuniziert. Nur 8 Monate später sind es über 40 % mehr (850 Mio. €). Gleichzeitig haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten drastisch verschlechtert, denn die Grundstücke sollen nicht mehr, wie ursprünglich geplant, verkauft werden, sondern verpachtet werden (Erbpacht). Das könnte zu Einnahmeausfällen von weiteren 250 Mio. € führen. Einen entsprechenden Beschluss hat der Gemeinderat gefasst.
In nur 8 Monaten hätte sich damit die Finanzierungslücke von Dietenbach auf 500 Mio. € verfünfzigfacht. Die gesamte Projektdauer könnte 25 Jahre betragen und man will sich nicht ausmalen, welcher astronomische Fehlbetrag bei Extrapolation entstehen könnte. Eine derartige Explosion des Finanzierungsdefizits sucht seines Gleichen. Dass die Kosten- und Finanzierungsrechnung schöngerechnet sei, wurde der Stadtverwaltung von dem Bündnis Rettet Dietenbach damals schon vorgehalten, aber, dass das Defizit in so kurzer Zeit derart explodieren würde, damit hatten nicht mal die stärksten Kritiker gerechnet.
Ist es Täuschung, ist es Inkompetenz? Ist es eine Kombination aus beidem? In jedem Fall ist es ein Skandal, aber es wird munter weiter gewurschtelt. Der große Hochwasserdamm bei Günterstal ist bereits im Bau (20 Mio. €) – zwingende Voraussetzung für Dietenbach. Ein knapper Hektar wurde zu diesem Zweck gerodet. Die notwendige Verlegung der Stromtrasse und der Gashochdruckleitung wird ebenfalls vorangetrieben. Eine Gesellschaft für den Erdaushub wurde gegründet, die Grundstückskäufe werden weiter vorbereitet. Das Bebauungsplanverfahren läuft, die erforderliche Änderung des Flächennutzungsplans ist ebenfalls in Arbeit usw.
Die Bürger haben die Bebauung mehrheitlich befürwortet, aber es scheint sie wurden getäuscht. Denn eine derartige Mehrbelastung des Haushaltes würde zu herben Einschnitten im gesamten städtischen Leben führen. Zahlreiche Projekte und Stellen müssten gekürzt werden und sollte das Zinsniveau mittelfristig wieder etwas anziehen, wäre die Katastrophe perfekt, zumal das Defizit ziemlich sicher weiter ansteigen wird. Die Stadt könnte schon bald überschuldet sein und die Selbstbestimmung verlieren.
Die Bauverwaltung verkalkuliert sich regelmäßig. Ein vergleichsweise aktueller Fall ist die Sanierung der Adolf-Reichwein Schule. Die Kosten haben sich mehr als verdoppelt. Die Mehrkosten belaufen sich auf knapp 9 Mio. € und die Baumaßnahme läuft noch.
Dass die Kostenschätzungen bei diesem Milliardenprojekt noch schlechter sind, zeigt die exorbitante Kostenexplosion eindrücklich. Die Kosten von Dietenbach laufen komplett aus dem Ruder, aber das Milliardenprojekt wird unbeirrt vorangetrieben. Niemand gebietet Einhalt, um zumindest die Kosten- und Finanzierungslage zu klären. Im privaten Bereich wäre derlei undenkbar, zumal die Banken nicht mitspielen würden.
Immer mehr Zweifel gibt es auch am Versprechen, in Dietenbach könne preiswerter Wohnraum entstehen. Hinzu kommen negative Auswirkungen auf Natur, Klima, Landwirtschaft und Verkehr.
Es ist nicht so lange her, da stand die Stadt finanziell mit dem Rücken zur Wand. Der Verkauf der Stadtbauwohnungen wurde sogar in Erwägung gezogen. Denjenigen, aus der Bürgermeisterriege, der Verwaltung und dem Gemeinderat, die das nicht persönlich erlebt haben, sollte die diesbezgl. Stadtgeschichte zumindest bekannt sein. Sowohl Stadtbauverkauf als auch Pleite konnten damals, Dank glücklicher Umstände, abgewendet werden – auch durch einen Bürgerentscheid. Die sich abzeichnende neuerliche Schieflage der Kommunalfinanzen wäre in einer anderen Dimension und könnte böse enden. Und das alles eigentlich grundlos, denn der Wohnungsmarkt scheint sich allmählich zu entspannen. Die zahlreichen im Bau befindlichen und geplanten Baumaßnahmen sollten, im Zusammenhang mit weiteren wohnungspolitischen Maßnahmen, ausreichen.
Wenn die Baubehörde die große Gefahr nicht erkennt, müssen Oberbürgermeister, Finanzbürgermeister und ggf. der Gemeinderat einschreiten. Tun sie nichts, könnte schon bald das Regierungspräsidium initiativ werden, zumindest wäre es seine Pflicht. Auch die Sparkasse sollte daran interessiert sein, denn sie wickelt die Grundstücksgeschäfte für Dietenbach ab. Sollte das Projekt floppen, wäre daher auch die Sparkasse unmittelbar davon betroffen.
Hier geht es um die größte Investition in der Stadtgeschichte und mutmaßlich um die größte sich abzeichnende Finanzkatastrophe der Stadt. Noch könnte man gegensteuern, aber es ist fünf vor zwölf.
Sogar die BZ schätzt die Finanzlage der Stadt kritisch ein:
https://www.badische-zeitung.de/leitartikel-zufall-und-stueckwerk--168417693.html
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