Jugendliche in Freiburg sind mit ihren Lebensumständen größtenteils zufrieden. Sie gestalten ihre Freizeit aktiv und vielseitig. Zeitliche und finanzielle Begrenzungen führen selten zu einer Veränderung des Freizeitverhaltens. Auch halten sie die meisten Angebote in Freiburg für gut erreichbar. Städtische Bildungsangebote wie die Stadtteil- und Schulbibliotheken und das Planetarium werden gut angenommen. Zudem zeigen Freiburgs Jugendliche eine große Affinität zum Lesen.
Das sind einige Ergebnisse aus dem 1. Freiburger Jugendsurvey, den Heinz Reinders, Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg, zusammen mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Isabell Post verfasst hat. Gestern hat Bürgermeisterin Gerda Stuchlik den Survey auf einer Pressekonferenz im Beisein von Reinders, Gabriele Wesselmann, Leiterin des Amtes für Kinder und Jugend, Hermann Maier, Leiter des Amtes für Schule und Bildung, und Hartmut Allgaier vom Freiburger Bildungsmanagement, vorgestellt.
Dabei betonte Stuchlik: „Aus städtischer Sicht ist der Survey überaus positiv ausgefallen. Er belegt, dass die jungen Menschen ausgeprägten Gestaltungswillen haben und ernst genommen werden wollen. Ihr hohes Bedürfnis nach Mitbestimmung zeigt sich in erster Linie bei Themen, die ihr unmittelbares Lebensumfeld prägen, also Schule und Bildung, Kultur und Freizeit sowie Umwelt und Natur. Wir nehmen die Ergebnisse des Surveys ernst und werden sie bei der weiteren Jugend- und Bildungsarbeit berücksichtigen.“
Als „Survey“ bezeichnen Meinungsforscher das Erheben und Ermitteln von Daten. Beim 1. Freiburger Jugendsurvey ging es darum, Daten für die künftige Gestaltung von Freizeit-, Bildungs- und Mitgestaltungsangeboten zu erhalten. Koordiniert wurden die Arbeiten von der Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement, dabei mitgewirkt haben Akteure aus Jugendarbeit, Schule, Verwaltung und Bildungsforschung.
Für den Survey haben sie einen Fragebogen entwickelt, der sich an Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren wandte. Über 1.500 Jugendliche haben ihn beantwortet. Damit liegen jetzt ausführliche Daten vor, wie Freiburgs Jugendliche zum Beispiel Medien nutzen, was sie in ihrer Freizeit tun, wie viel Taschengeld sie erhalten oder welchen Vereinen sie angehören. Damit wird der Jugendsurvey zum wertvollen Instrument, um die Belange von Jugendlichen in Freiburg verstehen und unterstützen zu können.
Unter anderem ergab der Survey, dass Jugendliche in Freiburg durchschnittlich 4:20 Stunden an Werktagen und 10:30 Stunden an Wochenenden frei gestaltbare Zeit zur Verfügung haben.
Eine weitere Ressource für die Freizeitgestaltung ist das verfügbare Taschengeld; bei dessen Höhe gab es übrigens keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen oder zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt ergab der Survey folgende durchschnittliche Taschengelder im Monat: 12/13 Jahre: 19 Euro, 14/15 Jahre: 28 Euro, 16-18 Jahre: 60 Euro. Jeder fünfte Jugendliche verdient sich durch Nebenjobs etwas zum Taschengeld hinzu; Mädchen häufiger als Jungen.
Die Freiburger Jugendlichen sind in ihrer Freizeit sportlich sehr aktiv. Sportangebote im Verein sind mit 91 Prozent Zustimmung die Spitzenreiter der als gut bewerteten Freizeitangebote am Ort. Fast 60 Prozent der Jugendlichen berichten, täglich oder mehrmals die Woche Sport im Verein zu treiben (Landesdurchschnitt: 30 Prozent).
An der Spitze genutzter Freizeitorte stehen die Freiburger Schwimmbäder mit einer Nutzung von 88 Prozent, gefolgt von der Stadtbibliothek mit 64 Prozent. Ebenfalls über 60 Prozent der Jugendlichen nutzen öffentliche Plätze als typische Aufenthaltsorte.
Im Bereich Politik & Gesellschaft geben 30 Prozent der Befragten an, einem freiwilligen Engagement nachzugehen. Das entspricht dem Befund aus der Bürgerumfrage 2016 zur Einbindung in Bürgerschaftliches Engagement der Erwachsenen. Als Türöffner in das Ehrenamt nennen die jugendlichen Befragten Freunde und Familie (je 41 Prozent), gefolgt von Trainerinnen, Trainern (25 Prozent) und Lehrkräften in der Schule (12 Prozent). Mit steigendem Alter wird die Integration in Vereinsarbeit und Ehrenamt wahrscheinlicher. Das Interesse an politischen und sozialen Themen steigt, der soziale Bezugsrahmen erweitert sich, die Jugendlichen wollen selbst aktiv werden bei den Dingen, die sie betreffen.
Mitbestimmungsmöglichkeiten sind vor allem im schulischen Kontext bekannt und werden dort gerne in Anspruch genommen, zum Beispiel im Rahmen der Schüler/innenmitverantwortung (SMV), in Arbeitsgemeinschaften, bei Projektwochen oder bei Klassenfahrten. Bei schuladministrativen Fragen wünschen sich die Jugendlichen jedoch noch eine stärkere Einbindung.
Der Survey zeigt aber auch soziokulturelle Unterschiede und Ungleichheiten auf. Konkrete Befunde sind, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund, Werkrealschüler/innen und Jugendliche aus dem Stadtgebiet Südwest seltener in Sportvereinen aktiv sind. Zudem berichten 7 Prozent der Befragten, dass sie Sportvereine nicht nutzen, weil sie ihnen zu teuer sind. Im Bereich Kunst & Kultur liegt ein bildungsabhängiges Muster vor, das sich quer durch Aktivitäten mit und ohne höhere finanzielle Belastung zieht. Gymnasiast/innen spielen häufiger ein Instrument, besuchen öfter Kulturveranstaltungen (Theater, Musical, Oper, Ballett) und lesen mehr als Schüler/innen von Real- und Werkrealschulen. Gleichzeitig spielen Jugendliche ohne Migrationshintergrund häufiger ein Instrument. 10 Prozent der Befragten berichten, dass sie Kulturveranstaltungen und Angebote der Kunst- und Musikschule nicht nutzen, weil sie ihnen zu teuer sind.
Allgemein verweisen die Survey-Ergebnisse darauf, dass Jugendliche aus bildungsfernen Schichten viel Aufwand betreiben müssen, um nachteilige Lebensbedingungen auszugleichen. Hier geht es in erster Linie um den Ausgleich finanzieller Defizite, der dazu führt, dass Jugendliche aktiv ihre finanziellen Ressourcen aufstocken, auf kostenlose Freizeitangebote ausweichen und die Nutzungshäufigkeit kostenpflichtiger Angebote verringern. Dadurch steht ihnen jedoch weniger Zeit zur Verfügung, weshalb sie seltener an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben oder sich ehrenamtlich engagieren.
Für die Stadt ergeben sich nun konkrete Handlungsbedarfe. Sie muss verstärkt auf die Erreichbarkeit und altersgerechte Gestaltung der Freizeitmöglichkeiten achten, bestehende Einrichtungen weiterentwickeln und ausgleichende Maßnahmen entwickeln, um eine auf gleichberechtigte Teilhabe ausgerichtete Freizeitstruktur für Jugendliche zu ermöglichen. Diese umfassende Herausforderung ist nicht mit einfachen Maßnahmen zu bewältigen. Daher wird die Stadt intensive Gespräche mit Schulen, Freizeiteinrichtungen, Trägern der offenen Kinder- und Jugendarbeit, Sportvereinen, der Arbeitsgruppe Jugendbeteiligung, der Musikschule und der VHS führen. Dabei sollen Potentiale identifiziert werden, wie Angebote so entwickelt werden können, dass Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten sie einfacher nutzen können.
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