Verwaltungsgerichtshof weist Normenkontrollanträge von Dietenbach-Landwirten zurück

Dietenbach
Dietenbach

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat die Normenkontrollanträge gegen die Gültigkeit der „Satzung der Stadt Freiburg im Breisgau über die förmliche Festsetzung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs Dietenbach vom 24.07.2018“ abgewiesen. Geklagt hatten drei Freiburger Landwirte.

Das Urteil erging im Anschluss an die mündliche Verhandlung des 3. Senats vom 6. Juli 2021. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az. 3 S 2103/19).

Für Umweltverbände sei Fehlurteil erkennbar.

Für sehr bedauerlich und im Tenor falsch hält Dr. Georg Löser, Vorsitzender des gemeinnützigen Freiburger Vereins ECOtrinova e.V., in einer ersten Stellungnahme des Vereins das Urteil des VGH Baden-Württemberg pro Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Neubaustadtteil Dietenbach in Freiburg. Bei der mündlichen Verhandlung in Mannheim am 6. Juli 2021 war er als Besucher im Gerichtssaal dabei. Er stellt dazu mehrere ungewöhnliche Besonderheiten fest:

Das Gericht erklärte eingangs, der Berichterstatter des Senats sei wegen Erkrankung ausgefallen. Die Vorsitzende nahm diese Aufgabe selber als Ersatzperson wahr. Der Berichterstatter ist dasjenige Senatsmitglied, das möglichst alle Akten, dem Vernehmen nach 35 Ordner, kennen sollte, die umfangreichen Schriftsätze der Parteien analysiert, die Verhandlung vorbereitet und berichtet. Vertreten lassen musste sich ausgerechnet auch der Chef der Anwaltskanzlei der Kläger.

Das Gericht bemühte sich zwar mit einem etwa 4-stündigen Rechtsgespräch mit den beiden Parteien um die Klärung einer Reihe rechtlich wichtiger offener Fragen, von denen mehrere am 6. Juli offen blieben und die das Gericht dann allein weiter klären wollte. Weil die von Landeigentümern beklagte Stadt Freiburg i.Br. mit 4 Sprechern erschien, nahm sie den Löwenanteil der Redezeit in Anspruch. Das Gericht vertrödelte zudem Zeit, indem ein Richter sich mit der Stadt darüber nett unterhielt, warum er früher als junger Mensch nach Freiburg ging oder nicht.

Es wurde, so Löser, mindestens ein sehr wichtiger Punkt vom Gericht offenbar gar nicht ausreichend vorgeklärt. Das Gericht hatte Zweifel am Bedarf für den Neubaustadtteil und wollte zu Recht wissen, ob denn in späteren Jahren etwa nach 2030 oder 2035 überhaupt noch Bedarf bestehe, da Dietenbach laut Stadt nach und nach bis 2042 errichtet werden solle. Die Bevölkerungsvorschau des Statistischen Landesamts zeigt nämlich für Freiburg für 2017-2035 nach Mitte der 2020er Jahre praktisch kein oder nur sehr geringes Wachstum auf. Damit wäre der Neubaustadtteil auf der "grünen Wiese" nicht gerechtfertigt. Das Gericht schien damit zufrieden zu sein, dass die Stadt erklärte, die Untersuchung des Landesamts sei erst 2019 veröffentlicht worden. Damit wäre das ohne Belang für den beklagten Satzung-Beschluss vom 24.7.2018, welcher der rechtlich maßgebliche Zeitpunkt ist.

Aber:

Es verwundert sehr, dass das Gericht und die Beteiligten dazu vergaßen, das für 2014-2035 eine Vorausschau des Landesamts besteht, die offenbar vor 2018 veröffentlicht wurde, also für das Urteil relevant ist und die kein Bevölkerungswachstum Freiburgs nach Mitte der 2020er aufzeigt.

Diese Vorschau ist in einer ausführlichen Rüge nach § 215 Baugesetzbuch enthalten, die ECOtrinova e.V., NABU Freiburg e.V. und einige Freiburger Bürger an die Stadt Freiburg Mitte 2019 einreichten. Das Gericht als einzige Tatsacheninstanz hat demnach den Sachverhalt offensichtlich unzureichend ermittelt. Das Urteil hätte nach Auffassung von ECOtrinova also anders ausfallen müssen. Denn ein erhöhter Bedarf ist eine gesetzliche Kernanforderung an eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Die Stadt hatte dem Gericht die Rüge, die von jeder Person erstellt werden darf, auch von Nichtklägern, bei den Verfahrensakten vorenthalten, so dass die Kanzlei der nun unterlegenen Privat-Kläger sie ans Gericht übermittelte.

Höchst seltsam im Zusammenhang mit der Bedarfsfrage ist auch dieser für die Kläger vorgebrachte Punkt: Mehrere Fraktionen des Freiburger Gemeinderats hatten im Januar 2018 von der Stadt mit Blick auf Dietenbach ausdrücklich und per Antrag aktuelle Daten u.a. zur Bevölkerungsvorschau verlangt. Die Verwaltung lieferte aber mit Hinhaltungen an den Gemeinderat vor oder zum 24.7.2018 keine aktuelle Vorschau. Diese war aber nach Vernehmen aus dem Rathaus damals praktisch fertig, man solle die Ergebnisse aber nicht nach außen geben. Später stellte sich heraus: schon in 2024 fast Nullwachstum. Die Ergebnisse für 2025-2030 wurden dem Gemeinderat auch mit der Drucksache 17-230.1 im Herbst 2018 vorenthalten. Das Gericht ging dem in der mündlichen Verhandlung nicht nach, obwohl von der Klägerseite schriftlich und mündlich vorgetragen.

Seltsam agierte das Gericht auch, indem es die mündliche Verhandlung zwar damit beschloss, der Urteilstenor werde den Parteien am 21. Juli mitgeteilt und die Pressemitteilung dazu werde an Folgetagen kommen. Aber das Gericht machte beides bereits am 13. Juli. 

Für die unterlegenen Kläger, denen zukünftig erheblich weniger Ackerfläche verbleibt, ist das Urteil sicher ein herber Rückschlag, gleichwohl gibt es noch eine Reihe weiterer Hürden, die Dietenbach nehmen muss, um endgültig realisiert zu werden.

Im Hinblick auf den Klima- und Artenschutz, auf den objektiven Wohnungsbedarf, die Haushaltssituation, die Verkehrssituation, die Landwirtschaft u.v.m. wäre das Großprojekt mit vielen Nachteilen verbunden, aber der Verhandlungsausgang macht den Bau und somit auch die Waldrodungen wahrscheinlicher.

  

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