Wie steht es um Dietenbach, den umstrittenen Stadtteil der zahllosen Versprechen?

- Foto: Freiburg.de

Seit 9 Jahren investiert die Stadt Millionen in einen neuen Stadtteil. Die Planung bindet auch sehr viele personelle Ressourcen. Zwangläufig kommen dadurch andere Bauprojekte langsamer voran. Zähringen-Nord und Lehen-Zinklern sind davon z.B. betroffen u.v.m.

Frühestens 2026 ist mit erstem Wohnraum im neuen Stadtteil zu rechnen – 14 Jahre nach dem ersten entsprechenden Beschluss im Gemeinderat.

Zentrales Argument war stets die „Wohnungsnot“. Doch wie steht es heute darum?

2020 haben die Stadt über 1000 Menschen mehr verlassen, als hierhergezogen sind. Die Stadt hat heute etwa soviel Einwohner*innen, wie 2018. Es wurde aber seither trotzdem neuer Wohnraum für 3000 – 4000 Menschen geschaffen. Der Wohnungsmarkt entspannt sich demnach sichtlich.

In Ebnet sind fast ein Jahr nach Vermarktungsbeginn noch viele Wohnungen im neuen Baugebiet Hornbühl-Ost zu haben. Auch dort wird bezeichnender Weise im Außenbereich auf ehemaligem Weideland am Wasserschutzgebiet gebaut.

Wer momentan ein WG-Zimmer sucht, hat eine sehr große Auswahl.

Viele Erbbauimmobilen sind zudem auf dem Markt.

Von genereller Wohnungsnot kann also sicher keine Rede sein, vielmehr mangelt es – wie im Übrigen seit vielen Jahren – an sehr günstigem, sogenanntem „bezahlbaren Wohnraum“ und vor allem an Sozialwohnungen.

Wenn Stadtverwaltung und Gemeinderat wegen der vermeintlichen Wohnungsnot neue Baugebiete ausweisen und dann dort aber Wohnraum entsteht, der, wie in Ebnet teils über 8000 €/qm kostet, dann können wir natürlich noch lange bauen, ohne dass sich die Lage für die Wohnungssuchenden nachhaltig verbessert.

Und nichts deutet daraufhin, dass Wohnungen in Dietenbach günstig würden, sondern das Gegenteil ist der Fall.

Bei Qm-Preisen von über 1000 € dort für Bauland und hohem Energiestandard und zahlreichen weiteren Auflagen, kann zwangsläufig kein wirklich günstiger Wohnraum entstehen, zumal die Baupreise seit Jahren nur eine Richtung kennen und während Corona nochmals einen Schub bekamen.

Sog. geförderter Wohnraum mag dort zwar günstiger sein, als der Freifinanzierte, aber der Unterschied ist dann nur der zwischen sehr teuer und teuer.

Da bringt auch die 50 %-Quote nichts, so sie denn überhaupt eingehalten wird.

Es ist unstrittig, dass die Graue Energie beim Bauen die Klimabilanz auf Jahre massiv belastet, ähnlich wie beim E-Auto. Um die Klimaziele 2030 einzuhalten bringt es aber nichts, wenn die Klimaziele vielleicht irgendwann jenseits von 2050 eingehalten werden können.

Seit Jahren verfehlt die Stadt die Klimaziele, was erst jüngst wieder im Gemeinderat festgestellt wurde. Hauptgrund dafür ist Freiburgs Bevölkerungswachstum in der Vergangenheit.

Außer Freiburg Lebenswert stehen aber alle Fraktionen hinter dem klimaschädlichen Wachstumskurs – auch die Grünen.

Anstatt aber endlich das Bauen zu begrenzen, versucht man sich an massiven Einschränkung des KfZ-Verkehrs durch exorbitante Erhöhungen der Anwohnerparkausweise, ganztags Zone 30 auf Bundesstraßen, Rote-Welle etc.

Um der Klimakrise wirksam zu begegnen bedarf es auch der Verkehrswende. Alleine auf diese zu setzen, reicht aber bei weitem nicht aus.

Einer der größten Neubaustadtteile Deutschlands in der Größe von ca. 180 Fußballfeldern kostet mehrere Milliarden Euro. Diese müssen zwar nicht alleine von der Stadt aufgebracht werden, aber zu einem beträchtlichen Teil müssen Vorleistungen von ihr erbracht bzw. finanziert werden.

Bis heute gibt es kein solides Zahlenmaterial, gleichzeitig explodiert die städtischen Verschuldung. Im Februar 2019 beim Bürgerentscheid, wurde den Bürgern z.B. von Baubürgermeister Haag versichert, dass die finanzielle Belastung für den Haushalt bei lediglich insgesamt 10 Mio. liegen werde. Wenige Monate nach dem Bürgerentscheid waren es dann bereits zehnmal so viel, aber auch dabei wird es nicht bleiben.

Inzwischen traut man der Projektgruppe Dietenbach wohl nicht mehr uneingeschränkt und hat den externen Dienstleister DREES & SOMMER u.a. mit dem Finanzcontrolling beauftragt. Ob Sparkasse und oder Regierungspräsidium deren Beauftragung evtl. gefordert haben, ist nicht bekannt. In jedem Fall werden dafür weitere Millionen an Kosten auflaufen.

Wenn sie ihren Job besser machen, als die Wirtschaftsprüfer von Wirecard, ist auch denkbar, dass sie zur Einstellung des Projekts raten, denn die unzähligen Versprechungen sind nicht finanzier- und realisierbar.

Es ist offenkundig, dass der Bau bzw. die Planung des Megaprojekts enorm viele Ressourcen verbraucht und gebunden hat. D.h. ohne dieses Projekt gäbe es heute deutlich mehr Wohnraum in der Stadt. Die Begründung für den neuen Stadtteil folgt demnach aus der Planung desselben, da diese erstmal weniger neuen Wohnraum in der Stadt bewirkte.

Die Mieten sind heute in den neueren Quartieren Vauban, Rieselfeld und Güterbahnhof am höchsten. Warum sollte das ausgerechnet in Dietenbach anders sein, wo die Rahmenbedingungen dort am schlechtesten sind?

Die 6900 vergleichsweise teuren Neubauwohnungen werden perspektivisch den Mietspiegel in der ganzen Stadt anheben, statt senken und somit die Mieten in ganz Freiburg tendenziell verteuern.

Wer eine strategische Entscheidung dieser Dimension trifft, sollte wenigstens garantieren können, dass das wichtigste Lebensmittel –Wasser – in ausreichender Qualität und Quantität für die gesamte Stadt immer vorhanden ist.

Im Hinblick auf den Klimawandel ist das aber mehr als fraglich, denn schon heute konnte es in heißen Sommer zu Engpässen kommen. In Dietenbach leben aber noch zusätzliche 16.000 Menschen und zudem sind ja noch über weitere 20 Baugebiete geplant. Würden die dortigen Brunnen von Umkirch z.B. während der Baumaßnahmen verunreinigt, wäre die Trinkwasserversorgung von Umkirch gefährdet.

Umkirch hat diese Risiken beim Regierungspräsidium daher bemängelt.

Seit Projektbeginn werden die Planer mit immer neuen Herausforderungen und Problemen konfrontiert. Sie lösen ein Problem und zwei neue kommen hinzu.

Auch juristisch gibt es noch etliche Hürden zu erklimmen. Nach 9 Jahren gibt es dort noch kein Baurecht. Klagen sind anhängig und das Megaprojekt könnte sich weitere Jahre hinziehen und auch scheitern.

Ohne aus der Panne mit dem SC-Stadion gelernt zu haben, wird das Projekt weiter mit Hochdruck vorangetrieben, anstatt abzuwarten, wie die Gerichte urteilen und die Behörden bezgl. Baurecht u.a. entscheiden - schließlich handelt es sich bei Dietenbach in Teilen um eine Auenlandschaft, in der absolutes Bauverbot herrscht.

Dieses kann nur aufgehoben werden, weil bei Günterstal für 20 Mio. gigantische Hochwasserrückhaltebecken in die schöne Landschaft betoniert werden. Übrigens gefördert vom Umweltministerium des Landes.

Nicht ausgeschlossen, dass bei einem möglichen Projektaus über 100 Mio. in das Projekt geflossen und somit verloren sind. Unglaublich und unverantwortlich.

 

Bleibt festzuhalten:

Der behauptete Wohnungsbedarf im Zeitraum der Fertigstellung 2026 – 2042 ist höchst fraglich. Vieles spricht dafür, dass er u.a. wegen dem demografischen Wandel nachlässt, insbesondere bei Menschen unter 60, für die Dietenbach maßgeblich konzipiert wird.

Der versprochene bezahlbare Wohnraum und die 50 %-Quote, im Sinne von 50 % wirklich günstigem Wohnraum, ist unrealistisch.

Die finanzielle Belastung für die Stadt könnte zeitweise 30 – 50 Mal höher sein, als ursprünglich eingeräumt.

Das Projekt überfordert die Stadt und geht zu Lasten zahlreicher anderer Projekte und Leistungen z.B. bei Schulen, dem EHC, Außenbecken-West, Lycée Turenne, Feuerwachen, Kinderbetreuung, Sicherheit u.v.m.

Etwa 4000 Bäume müssen gefällt werden. Davon war zuvor keine Rede.

Dietenbach wird durch den Bau und den induzierten Zuzug zu einem signifikanten Anstieg des Verkehrs- und Schadstoffaufkommens führen, mit der Konsequenz, dass nicht mal 2050 die Klimaziele erreichbar sind. Das ist einer Green-City unwürdig und peinlich.

Obgleich der Artikel relativ lang ist, wurde nur ein Ausschnitt der unzähligen offenen Punkte und Probleme angesprochen. Der Verlust von Ackerland für die regionale Erzeugung und die verbliebenen Landwirte, die negativen Auswirkungen auf das Klima, die Vernichtung eines Naherholungsgebiets etc. verschlechtern zudem das Kosten-Nutzen Verhältnis des Milliardenprojekts.

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