Wohnungsbedarf und Wohnungsbau in Freiburg – eine aktuelle Einschätzung: Wird am Bedarf vorbei gebaut?

Mieten und Immobilienpreise steigen seit Jahren. Ebenfalls seit Jahren wird in Freiburg sehr viel gebaut, die vorgenannten Probleme wurden dadurch aber nicht gelöst.

Eine wesentliche Begründung für den neuen Stadtteil Dietenbach war die Schaffung sog. „bezahlbaren Wohnraums“

Immobilienexperten sind sich aber einig: in Dietenbach wird kaum günstiger Wohnraum entstehen. So z.B. der Immobilienexperte Prof. Hans-Hermann Francke von der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA). Am Güterbahnhof wurde zuletzt sehr viel gebaut, die Gegend zählt nicht zu den attraktivsten und dennoch gehen auch dort Immobilienpreise und Mieten durch die Decke. Auch beim jüngsten vergleichsweise kleinen Baugebiet am alten Ebneter Sportplatz, wo die Stadt die Grundstücke nur auf Erbpacht-Basis vergeben will, entsteht alles, nur kein günstiger Wohnraum.

Man müsste inzwischen erkannt haben, dass Neubau in Freiburg wegen hoher Baukosten, hoher Energiestandards und teurer Grundstücke und zahlreicher Auflagen nur sehr selten „bezahlbar“ ist.

Für die Bestandsmieter bringen die teuren Neubaumieten noch einen Nachteil mit sich: sobald sie in den Mietspiegel einfließen, erhöhen sie tendenziell dessen Niveau.

Entwicklung des Wohnungsbedarfs

2018 haben erstmals seit 2008 etwas mehr Menschen die Stadt verlassen, als hierher gezogen sind.  625 Babys sind mehr geboren, als vorwiegend alte Menschen gestorben sind. Der daraus rechnerisch entstandene Wohnungsmehrbedarf konnte problemlos durch die ca. 1000 neu entstandenen Wohnungen befriedigt werden. Zudem konnte der Überhang Wohnungssuchender neue Wohnungen beziehen. Der Wohnungsmarkt hat sich demnach etwas entspannt.

Das Statistische Landesamt geht in seiner Normalprognose von einem Anstieg der Bevölkerung bis 2035 von knapp 10.000 aus. Allerdings handelt es sich hier um Menschen ab 60 Jahre. Der Bevölkerungsanteil der 40 – 60 Jährigen wird um ca. 4000 zurück gehen und die unter 40 Jährigen werden nur sehr gering zunehmen. D.h. die Zahl der bis 60 Jährigen wird bis 2035 insgesamt abnehmen und nur die über 60 Jährigen werden mehr.

https://www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/Vorausrechnung/98015021.tab?R=KR311

Die Prognose mit Datenbasis 2017 weicht in der Normalvariante allerdings schon deutlich nach oben ab. Demnach spricht momentan einiges dafür, dass sich der Zuwachs bis 2035 auf deutlich unter 10.000 Menschen belaufen könnte und eher die sog. Nebenvariante eintritt, die von einem Wachstum von nur ca. 5000 Menschen ausgeht.

Die vom städtischen Amt für Statistik prognostizierten Zahlen sind wohl zu hoch gegriffen.

Unabhängig davon müsste sich demnach der Schwerpunkt der Bautätigkeit stark auf barrierefreies Bauen verschieben, was die Wohnungen natürlich noch teurer macht, weil die Häuser z.B. Aufzüge benötigen.

Entwicklung des Wohnungsangebots

Im gesamten Stadtgebiet sind weitere Baugebiete geplant: Höhe in Zähringen, Hornbühl-Ost und alter Sportplatz in Ebnet, Stühlinger-West, Zinklern in Lehen, Weihermatten und Ziegelmatten in Kappel, Zähringen-Nord, diverse Baugebiete am Tuniberg, Haslach und St. Georgen. Zusammen mit kleineren Baumaßnahmen handelt es sich um Wohnraum für ca. 10.000 Menschen.

Das große Potenzial von Dachgeschossausbauten, Anbauten, Aufstockungen, Parkplatz- und Supermarktüberbauungen, Leerstand, Zweckentfremdung kämen da noch hinzu.

Selbst wenn das Statistische Landesamt mit seiner mittleren Prognose richtig läge, könnte man daraus Zweierlei ableiten:

1.       Bei den vorgenannten Baugebieten sollte man den Fokus mehr auf barrierefreies Bauen setzen und möglichst viele Senioreneinrichtungen konzipieren.

2.       Dietenbach ist nicht nötig, da die Kapazität der anderen Baugebiete nach gegenwärtigem Stand ausreicht.

Die Stadt ist heute inkl. Eigenbetriebe und Beteiligungen bereits mit über 1 Mrd. verschuldet. Auch durch die Realisierung von Dietenbach könnte die Verschuldung in wenigen Jahren die 2 Mrd. Grenze überschreiten. Ein Zinsanstieg, und oder ein Konjunktureinbruch oder ein Platzen der Immobilienblase würde reichen und die Stadt wäre handlungsunfähig.

Es spricht Vieles dafür, dass die Prognose des Statistischen Landesamtes richtig liegen könnte bzw. tendenziell eher eine Obergrenze darstellt, denn wie oben ausgeführt hat das Bevölkerungswachstum stark nachgelassen. Gleichzeitig ist klar, dass Dietenbach das Verkehrsaufkommen in der Stadt weiter stark anwachsen lassen würde – nicht nur in der Bauphase. Ferner ist klar, dass der Bau Dietenbachs die Einhaltung der Klimaziele auf Jahre verzögern wird, denn klimaneutral wird der Stadtteil, wenn überhaupt, erst nach dessen energie- und ressourcenintensiven Erstellung.

Es steht außer Frage, dass eine Mehrheit der Freiburger vor einem Jahr den Bau Dietenbachs befürwortet haben und dieses demokratische Votum gilt es grundsätzlich zu respektieren. Allerdings wurde auch sehr viel versprochen, was sich als unhaltbar erwiesen hat. Unabhängig davon steht natürlich auch Volkes Wille unter dem Finanzierungsvorbehalt. Bis heute schuldet die Stadtverwaltung den Bürgern eine valide Erklärung, wie sie die Versprechen von Dietenbach einlösen will, ohne ein finanzielles Desaster zu fabrizieren und den Rest der Stadt nicht massiv zu benachteiligen.

Anstatt die Stadt ohne Not s.o. durch den Bau eines der größten Neubaugebiete Deutschlands finanziell zu überfordern und dadurch die Klimaziele zu verfehlen, täte man gut daran, wirklich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wie es der Stadtbau z.B. in der Belchenstraße durch Aufstockung gelungen ist. Zudem muss die Stadt den Fokus auf Wohnraum für Senioren richten. Ansonsten haben wir in einigen Jahren vermutlich Leerstand und gleichzeitig eine Unterversorgung der Senioren mit adäquatem Wohnraum.

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